Die Pflege im Januar 2022: Zwischen Pflegebevollmächtigten & Bonuszahlungen

Die Pflege im Mai 2022: Ein überschatteter Tag der Pflege und die „Schülerverwaltung“

Zusammen mit Pflegepionieren Annemarie Fajardo auf die Ereignisse und Nachrichten im Mai 2022. Was hat die Pflegebranche beschäftigt?

Unser Monatsrückblick wirft den Blick auf ein freudiges Ereignis und eine Aussage, die leider das Ereignis trübte: Der Tag der Pflege wurde von der Aussage des G-BA-Vorsitzenden Hecken überschattet, er wolle kein Stimmrecht für den Deutschen Pflegerat (DPR) im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Eine Aussage, die bei den Berufsverbänden der Pflegeberufe Wellen schlug. 

Die Stimme der Pflege soll gestärkt werden

Doch beginnen wir erstmal von vorne: Der G-BA vereint bekanntlich die Selbstverwaltungspartner des Gesundheitswesens in einem Gremium. Der Deutsche Pflegerat ist bisher nur mitberatungsrechtlich aktiv, das heißt er darf mit beraten, aber er hält kein Stimm- und Antragsrecht, um eine Entscheidung mit zutreffen oder um selbst Anträge einzureichen, inne. Der Deutsche Pflegerat kann also keine Beschlüsse mitfestlegen, wenn es zum Beispiel um die Umsetzung der Krankenversicherung oder der Pflegeversicherung geht. Im Koalitionsvertrag steht nun, dass der Deutsche Pflegerat als Stimme der Pflege im G-BA gestärkt werden soll. Josef Hecken hält von diesem Vorhaben jedoch nicht viel und hat sich ganz eindeutig gegen ein Stimmrecht für die Pflege positioniert. 

Auf der anderen Seite sprechen wir nun aber auch vom Tag der Pflege und in diesem Zusammenhang seit vielen Jahren davon, dass die Pflege und Pflegenden in Deutschland gestärkt werden müssen und, dass es bessere Arbeitsbedingungen und Rahmenbedingungen geben muss. Die Pflegeverbände haben auf Hecken´s Aussage reagiert, weil sie das für vollkommen inakzeptabel halten. Kein Stimmrecht für die Pflege heißt im Prinzip, nicht wirklich mit entscheiden zu können, wenn es um die Umsetzung der Kranken- und Pflegeversicherung geht. Und damit konkret um die Umsetzung der direkten fachpflegerischen Versorgung von kranken und pflegebedürftigen Menschen in allen Versorgungssettings nach SGB V und SGB XI. 

Die Pflege eine „Schülermitverwaltung“? Wohl kaum!

Die Ampelkoalition möchte den G-BA mit vollständigem Stimmrecht für die berufliche Fachpflege öffnen und so steht es auch im Koalitionsvertrag. Was von Hecken kritisch bewertet wurde ist, dass die Arbeit des Gremiums dadurch verwässert werden könnte. So würde sie zu einer „Schülermitverwaltung“ werden, wenn man die Profession Pflege berücksichtigte. Das muss insoweit natürlich kritisiert werden, wenn wir uns die Frage stellen: Was bedeutet es eigentlich eine Schülermitverwaltung zu betreiben? Wer ist Schüler:in und wer ist Lehrer:in? Dann sind in diesem Zusammenhang die Schüler:innen die beruflich Pflegenden und weitere Gesundheitsfachberufe außerhalb des ärztlichen Spektrums. All das was nicht ärztlich ist, wird mit dieser Äußerung einer Schülerverwaltung als unterprivilegiert betitelt. Die nicht-ärztlichen Berufe haben keine Relevanz in diesem gesetzgeberischen System des Gemeinsamen Bundesausschusses, in dem es um Richtlinienbeschlüsse geht. 

Diese Haltung zeigt auch noch einmal drastisch den Stellenwert des Pflegeberufes in Deutschland. Dieser liegt deutlich unterhalb des Stellenwertes der Berufe der Ärzt:innen. Nach dieser Beschreibung gelten die Pflegeberufe nach wie vor als Assistenzberufe des Arztes – aus der Perspektive des G-BAs.

Gesellschaftliche Anerkennung der Pflege international hoch – nur in Deutschland nicht. 

Was bedeutet es denn nun den Tag der Pflege zu feiern? Dieser hat eine besondere Stellung innerhalb der Gesellschaft – das hat man in der Pandemie ganz klar gesehen. Wenn es um Gesundheits- und Daseinsfürsorge geht, trägt die Profession Pflege in der Langzeitpflege und auch im klinischen Setting den größten Anteil dazu bei, dass Menschen mit Hilfe- und Pflegebedarf genesen können. Und die Äußerung des G-BA Vorsitzenden passt in keiner Weise zu dem was eigentlich diesen Stellenwert ausmacht. Wenn es darum geht Gesundheitsprävention zu leisten, Krankheiten zu vermeiden, aber auch Schmerzen zu lindern z.B. bei Menschen mit chronischen Erkrankungen, dann sind eben die Pflegeberufe speziell dafür ausgebildet, diese Unterstützung zu leisten. Auch international kommt den beruflich Pflegenden eine sehr hohe, wenn nicht sogar die höchste, Anerkennung zu. Diese wird mit dem Tag der Pflege zum Ausdruck gebracht werden.

Gleichzeitig aber überschatten Aussagen und Positionierungen, wie die des G-BA-Vorsitzenden diesen Stellenwert und eben den Tag der Pflege. Sie konterkarieren den eigentlichen gesellschaftlichen Wert der Pflege- und Gesundheitsfachberufe, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten noch einmal deutlich an Bedeutung gewonnen haben. Beachte man schließlich den demographischen Wandel, den damit verbundenen steigenden Bedarf an professionellen Pflegeleistungen und auch den stetig steigenden Anteil an pflegenden Angehörigen, die immer mehr Unterstützung zuhause benötigen. 

Die Pflege kämpft seit Jahrzehnten für Selbstverwaltungsstrukturen

Aus der Perspektive der Berufsgruppen der Pflegenden ist der Tag der Pflege der wichtigste und bedeutendste Feiertag der Pflegenden. Gleichwohl sind die Pflegeberufe von besonders hoher gesellschaftlicher Relevanz geprägt, betrachten wir den stetig größer werdenden Anteil derjenigen Menschen, die einen Pflegegrad haben. Im internationalen Kontext hat Pflege genau den hohen Stellenwert in der ganzheitlichen Gesundheitsversorgung, den sie verdient. Dieser hat im Zuge der Pandemie noch weiter an Bedeutung zugenommen. Setzen wir jedoch diese Bedeutung in den Kontext der Bezeichnung „Schülerverwaltung“, wird ebenjene geschmälert, ja geradezu ins Lächerliche gezogen. 

Die Aussage Heckens war für viele ehrenamtlich Engagierte in den zahlreichen Berufsverbänden der beruflich Pflegenden ein Schlag ins Gesicht. Denn viele kämpfen im Ehrenamt schon seit über 30 Jahren für Selbstverwaltungsstrukturen. Darüber hinaus für rechtliche Grundlagen, um pflegefachliche Kompetenzen in das Gesundheitssystem einfließen lassen zu können. Und diese können wiederum aufgrund der fehlenden rechtlichen Grundlagen eben nicht einfließen. Grundsätzlich fehlt es überall an berufspolitischen Infrastrukturen und pflegefachlichen Selbstverwaltungsstrukturen. 

Keine Wahrnehmung der Kompetenz der Profession Pflege

Dieser Mangel begründet u.a., warum die Profession Pflege und ihre Kompetenzen hierzulande nicht richtig wahrgenommen wird. Wenn man als Berufsgruppe aber nun mal nicht mitreden darf, weil es die rechtlichen Grundlagen nicht gibt, wird man offensichtlich relativ schnell als Schüler:in wahrgenommen. Werden jedoch keine rechtlichen Grundlagen geschaffen, um ein Mitspracherecht zu erwirken, wird sich nichts an dieser Situation verändern. Im Prinzip ein Teufelskreis. Ohne Mitspracherecht keine veränderte Rolle der Berufsgruppe. Ohne veränderte Rolle der Berufsgruppe kein Mitspracherecht. Und das hat eben Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung und auch auf die Bedeutung und den Stellenwert des Pflegeberufes an sich. 

Wir hoffen für die Berufsverbände, dass die Ampelkoalition sich wirklich an die Versprechen des Koalitionsvertrags hält und Strukturen schafft, die die Stimmberechtigung im G-BA auch umsetzbar machen. Nur so ließe sich dann auch dieser oben beschriebene Teufelskreis durchbrechen, der bereits seit mehreren Jahrzehnten zu durchbrechen versucht wird. Zu Gunsten der kranken und pflegebedürftigen Menschen wohlgemerkt. 

Über die Expertin und Autorin dieses Beitrages

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Annemarie Fajardo

Hallo, ich bin Annemarie und bei den Pflegepionieren für Pflegemanagement mit dem Schwerpunkt ambulante und stationäre Altenhilfe. Ich bin Pflegepionierin, weil ich persönlich Pionierarbeit in der Pflegebranche in Deutschland als eine sehr wichtige Grundlagenarbeit erachte. Gerne möchte ich meinen Teil zur Verbesserung der Pflege beitragen.

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