Interview mit Wiebke Krohn über eine gesunde Fehlerkultur im Unternehmen.
Interview mit Wiebke Krohn
Liebe Wiebke, wie ist es generell um die Fehlerkultur in der Pflege bestellt? Oder noch allgemeiner: Was zeichnet die deutsche Fehlerkultur aus? Lässt sich dazu eine pauschale Aussage treffen?
Eine pauschale Aussage lässt sich leider nicht treffen. Mir fällt immer wieder auf, dass eine offene Fehlerkultur in Unternehmen gewollt ist, dann aber doch nicht gelebt wird. Fehler werden doch immer wieder vertuscht, aus Angst vor Sanktionen. Die Offenheit dafür, Fehler als Lernchance zu sehen, ist bei Führungskräften und Mitarbeitenden dann doch vielfach nicht gegeben.
Warum ist der konstruktive Umgang mit Fehlern innerhalb von Unternehmen besonders wichtig?
Nur bei einem konstruktiven Umgang mit Fehlern können systematische Fehler in Prozessen behoben werden. Fehler sind darüber hinaus eine Lern- und Entwicklungschance.
In der Pflege arbeiten wir mit Menschen, deshalb ist eine aktive Fehlerkultur unausweichlich, um den Klienten vor Schäden zu bewahren. Fehler sind aber auch eine große Lernchance, nicht nur für einzelne Mitarbeiter*innen, sondern für die gesamte Organisation. Wenn systematische Fehler umgangen und nicht angesprochen werden, leidet die gesamte Organisation. Aus diesem Grund sollten Fehler erlaubt sein und als Chance gesehen werden.
Wie kann man auch eigene Fehler ansprechen, ohne einen Gesichtsverlust zu riskieren?
Auf der Sachebene, entschuldigen, Lösung aufzeigen, wie Sie den Fehler zukünftig vermeiden.
… das klingt leichter gesagt als getan…
Aber genau das ist der Weg. Generell wichtig: Ich kann immer selber etwas dafür tun, schneller durch Krisen zu kommen und die besser zu bewältigen. Resilienz ist schon fast ein abgedroschenes Thema. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass es sinnvoll ist, die eigene Resilienz zu stärken und damit besser Krisen bewältigen zu können.
Kann man Fehlern auch vorbeugen oder sich absichern?
Wie ein User schon schrieb, ist es generell wichtig, eigene Entscheidungen und Dinge begründen zu können [so lautete ein Kommentar bei einer Umfrage auf Facebook, Anm. d. Red.] – gerade dann, wenn sie vom Standard abweichen. In der Pflege muss der Mensch als Individuum im Mittelpunkt stehen und damit die Bedürfnisse des einzelnen Patienten. Standards helfen da oft nicht weiter. Die Welt wird immer komplexer, also Vielfältiger und Unvorhersehbarer. Dem können wir nur mit Musterwechsel und Selbstorganisation, nicht aber mit Standards begegnen. Da die Qualität der Pflege aber nun mal anhand von Standards bemessen wird, ist m.E. eine Abweichung zu begründen. Darüber hinaus ist es durchaus sinnvoll, als Fachkraft zu überlegen und begründen zu können, warum von einem Verfahren abgewichen wird.
Wie kann man die Fehlerkultur aktiv nutzen, um das Unternehmen nach vorne zu bringen?
Analysieren, Feedback geben, Maßnahmen ableiten, Themen ernst nehmen aber mit Humor begegnen, Vorbild sein. Gerade Feedback ist immer eine Lernchance. Doch man muss natürlich aufpassen: Nicht konstruktive oder unangemessene Kritik stellt oft eine Kränkung dar. Aus diesem Grund macht gesunde Führung aus, dass Kritik grundsätzlich konstruktiv, nach vorne gerichtet ist, ein Dialog mit dem Mitarbeitenden entsteht und Lösungen entwickelt und festgehalten werden. Dann ist Kritik Personalentwicklung und kann zu Commitment und echter Verhaltensänderung führen. Darüber hinaus gehört zu jeder Kritik innerhalb der nächsten Wochen ein kurzes Feedbackgespräch, das vergessen wir im operativen Geschäft oftmals.